Wie leben im Anthropozän? Symposium im Rahmen der Ausstellung „Visions of Nature“ im Kunst Haus Wien

28. September 2017
„Über das Anthropozän zu sprechen bedeutet, sich der Verantwortung der Menschen für
 diesen Planeten bewusst zu werden.“ – Jürgen Renn und Bernd Scherer
Wie leben im Anthropozän? Symposium im Rahmen der Ausstellung „Visions of Nature“ im Kunst Haus Wien

am Donnerstag, 5. Oktober 2017, von 17.00 bis 20.00 Uhr im KUNST HAUS WIEN, Untere Weißgerberstraße 13, 1030 Wien

„Über das Anthropozän zu sprechen bedeutet, sich der Verantwortung der Menschen für
 diesen Planeten bewusst zu werden.“ – Jürgen Renn und Bernd Scherer

Vorträge:
- Christian Köberl, Generaldirektor Naturhistorisches Museum Wien, Professor für Impaktforschung und planetare Geologie am Department für Lithosphärenforschung, Universität Wien, Obmann der Kommission für Geowissenschaften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
(in deutscher Sprache)

- Bernd Scherer, Intendant Haus der Kulturen der Welt und Honorarprofessor am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität Berlin
(in deutscher Sprache)

- T. J. Demos, Professor am Department of the History of Art and Visual Culture an der University of California, Santa Cruz, und Gründungsdirektor des Center for Creative Ecologies
(in englischer Sprache, Live-Zuschaltung via Skype)

Moderation: Verena Kaspar-Eisert, Kuratorin „Visions of Nature“, KUNST HAUS WIEN

Podiumsdiskussion (in englischer Sprache)
- Maya Byskov, Kuratorin The Independent AIR
- Jennifer Colten, Künstlerin der Ausstellung „Visions of Nature“ (Wasteland Ecology)
- Verena Kaspar-Eisert
- Christian Köberl
- Bernd Scherer

Moderation: Walter Seidl, freischaffender Kurator und Kunstkritiker

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos. Mit der Bitte um Registrierung unter: anmeldung@kunsthauswien.com.

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum Wien.

Das Verhältnis des Menschen zur Natur ist in permanentem Wandel begriffen. Heute ist nicht mehr die Rede vom Gegensatz Kultur – Natur oder Mensch – Umwelt, vielmehr hat sich das Bewusstsein von der wechselseitigen Abhängigkeit aller irdischen Vorgänge in den Köpfen der Menschen verankert. „Die Erde ist keine stabile Umwelt, keine Kulisse und bloße Ressource unseres Handelns mehr, sie ist Teil eines umfassenderen Dramas, an dem Menschen und Dinge gleichermaßen Anteil haben“, schreiben Jürgen Renn und Bernd Scherer in ihrem Vorwort zu dem von ihnen herausgegebenen und 2015 erschienenen Band „Das Anthropozän. Zum Stand der Dinge“. Wir verstehen die Natur nicht mehr als bloße Bühne für unsere menschliche Existenz und unsere „menschlichen Operationen“ (Peter Sloterdijk).
Dieses neue Bewusstsein und die gesteigerte Aufmerksamkeit für Mensch-Umweltbeziehungen werden gegenwärtig in einem umfassenden Sinn mit dem Konzept des Anthropozän verhandelt – des Eintritts in eine neue, vom Menschen geprägte (und nach diesem benannte) Epoche der Erdgeschichte. Der Begriff Anthropozän wurde 2002 von dem Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen gemeinsam mit Eugene F. Stoermer in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt, um ein geologisches Zeitalter zu bezeichnen, in dem der Mensch zum wesentlichen Einflussfaktor auf geologische, ökologische und atmosphärischen Prozesse geworden ist und es zu einer gravierenden Veränderung sowie dauerhaften Umgestaltung der Lebensumwelt kommt. Kreist die naturwissenschaftliche Debatte um die Feststellung einer geologischen Realität, so verhandeln philosophische und künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Anthropozän vor allem ein verändertes Verhältnis von Mensch und Natur.
„Der Gedanke des Anthropozän macht im Prinzip klar, dass die Menschheitsgeschichte nur Teil einer größeren planetaren Geschichte ist. Dennoch hilft diese Einsicht nur bedingt dabei, die unvermeidliche Subjektivität und die ebenso unvermeidliche Unterschiedlichkeit unserer Perspektiven auf diesen Zusammenhang zu überwinden.“ (Jürgen Renn, Bernd Schäfer)

Das Symposium „Wie leben im Anthropozän“ geht der Frage nach, wie die naturwissenschaftliche These eines neuen, vom Menschen geprägten Erdzeitalters – das Anthropozän – in gesellschaftlichen, philosophischen und kulturellen Diskussionen und in künstlerischen Werken Ausdruck findet und auf unsere Wahrnehmung von Natur und unser Dasein in der Welt rückwirkt.

Ablauf des Symposiums
Eingangs soll das Anthropozän als geowissenschaftlicher Diskurs vorgestellt werden. Dazu wird Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien, einen kritischen Einführungsvortrag halten. Anschließend referiert Bernd Scherer, Herausgeber von „Das Anthropozän. Zum Stand der Dinge“ über das Anthropozän als einem Prozess, „in dem permanent materielle und energetische Flüsse miteinander in Wechselwirkung treten, und zwar auf eine Weise, die einerseits durch Wissen, andererseits aber durch Macht geprägt ist.“ Der Hauptakteur des Anthropozäns, der Mensch, wird in den Fokus gerückt. Den dritten Vortrag, eine Live-Zuschaltung via Skype aus Kalifornien, bestreitet T.J. Demos, Professor für Kunstgeschichte und Visuelle Kultur. In seinem jüngsten Buch „Against the Anthropocene: Visual Culture and Environment Today (2017) spricht er sich für eine alternative Benennung des gegenwärtigen Erdzeitalters als „Kapitalozän“ aus, da nicht die menschliche Spezies als solche, sondern die neoliberale Globalisierung die massiven negativen Auswirkungen auf Natur und Klima verursache.

Wie gehen wir mit unserer Schuld gegenüber der Natur einerseits und unserer Verantwortung für die Zukunft des Planeten andererseits um? Wie reflektiert Kunst den Anthropozän-Diskurs und welche spezifische Aufgabe kommt hierbei dem Medium Fotografie zu? Die Diskussion im Anschluss wird die Vorträge reflektieren und im Speziellen die Rolle der Kunst in der Anthropozän-Debatte und der Fotografie als einem Medium der Vermittlung und Aufklärung in den Fokus nehmen. Dazu sind neben Christian Köberl und Bernd Scherer die US-amerikanische Künstlerin Jennifer Colten, Maya Byskov, Kuratorin und Autorin mit Fokus auf das Anthropozän und Verena Kaspar-Eisert, Kuratorin der Ausstellung „Visions of Nature“, am Podium. Moderiert wird die Runde von dem Kurator und Kunstkritiker Walter Seidl.
NHM Wien-Generaldirektor Christian Köberl
© NHM Wien, Kurt Kracher
ILKKA HALSO Kitka River aus der Serie Museum of Nature, 2004
Courtesy: Gallery Taik Persons, Berlin
Copyright: Ilkka Halso
  
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