Neues Projekt erforscht eine globale Klimakatastrophe der Triaszeit: Bohrung in die Erdgeschichte Österreichs
Gesteine und Fossilien der alpinen Triaszeit sind Zeugen einer der größten Umweltkatastrophen der Erdgeschichte, der „Karnischen
Krise“. Diese Phase zeichnet sich durch einen Klimawandel vor 233-235 Millionen Jahren aus, der zu einem gigantischen weltweiten
Massensterben in den Meeren des Erdmittelalters führte. Ein internationales Team um den NHM Wien-Paläontologen Dr. Alexander
Lukeneder erforscht in den kommenden 3 Jahren diese weltweite Klimakrise.
Projektleiter: Priv. Doz. Dr. Alexander Lukeneder
Zeitraum: 3/2023 – 3/2026
Förderinstitution: Land Niederösterreich (Land NÖ, Wissenschaft und Forschung), Freunde des Naturhistorischen Museums Wien, Naturkundliche Gesellschaft Mostviertel, Marktgemeinde Gaming, Marktgemeinde Göstling an der Ybbs, Marktgemeinde Lunz am See, Gemeinde Landl
Unterstützer: Fahr- und Grabungsgenehmigungen durch die Österreichischen Bundesforste, Unterstützung bei Geländearbeiten durch die Freiwillige Feuerwehr Großreifling
NHM Science Talk zur Karnischen Krise mit Alexander Lukeneder: https://www.youtube.com/watch?v=PKUSolKEv5g
Publikationen:
Lukeneder, A., Lukeneder, P. 2024. Ammonoid taxonomy of the Carnian Polzberg Konservat-Lagerstätte in Austria. Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 162/1–4, 27–55. ISSN 0016–7800
Lukeneder, A., Lukeneder P. 2023. New data on the marine Upper Triassic palaeobiota from the Polzberg Konservat-Lagerstätte in Austria. Swiss Journal of Palaeontology 142/9, 1-18. https://doi.org/10.1186/s13358-023-00269-3
Medienberichte zum Projekt:
Bohrung führt 233. Millionen Jahre in die Vergangenheit. ORF Niederösterreich, Bundesland Heute vom 13.10.2023, 19.00.
Die Region um Lunz am See (Bezirk Scheibbs) ist für ihre Ablagerungen aus der Triaszeit bekannt. Jetzt wurde dort mit einem riesigen Bohrer 233 Millionen Jahre in die Vergangenheit gebohrt, um eine der größten Umweltkatastrophen der Erdgeschichte zu erforschen.
https://noe.orf.at/stories/3228136/
Gestein bei Lunz am See birgt Hinweise auf Klimakatastrophe.
Mithilfe einer Kernbohrung können Forscher ablesen, wie sich die Erde und ihre Ökosysteme vor mehr als 230 Millionen Jahren dramatisch veränderten.
Der Standard, Printausgabe, Seite 22, 8. November 2023; online 18. November 2023.
https://www.derstandard.at/story/3000000194747/gestein-bei-lunz-am-see-birgt-hinweise-auf-klimakatastrophe
Niederösterreich und Steiermark
Schon seit einigen Jahren erforscht das NHMW im Rahmen eines durch das Land NÖ und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Pilot-Projektes Ablagerungen der Triaszeit im Raum von Lunz am See und Gaming. Die Ergebnisse wurden in renommierten
Journalen veröffentlichten und zeigten, dass sich die Region nicht nur durch außergewöhnlich gut erhaltene Fossilien auszeichnen,
sondern auch ein Archiv eines der größten Massensterben der Erdgeschichte ist. Die sensationellen Ergebnisse sind nun Basis
für ein neues Projekt.
Lediglich eine schmale geologische Zone enthält Sedimente der Karnischen Krise (Carnian Pluvial Episode) und quert die Kalkalpen
Niederösterreichs und der Steiermark. Vom niederösterreichischen Mödling im Osten bis in die nördliche Steiermark bei Großreifling,
also bis in das Gebiet des Natur und UNESCO Geoparks Steirische Eisenwurzen, im Westen. Dieser Bereich gewährt tiefe Einblicke in die mesozoische Erdgeschichte des Landes. In 233 Millionen alten, feinst
laminierten Gesteinsschichten werden hier wahre Sensationen des Erdmittelalters gefunden. Die schwarzen, kalkig bis tonigen
Meeres-Ablagerungen beinhalten Fossil-Fundstellen, in denen die fossilen Organismen besonders gut und vollständig erhalten
sind. Solche Fundstellen werden als Konservat-Lagerstätten bezeichnet. Die Fossilen zeigen hier sogar Weichteilerhaltung wie
Muskel oder Knorpelreste.
In den Meeresablagerungen des sogenannten Reiflinger Beckens finden sich ausgezeichnet erhaltene Ammoniten, Tintenfische,
Muscheln, Schnecken, Krebse, Borstenwürmer, verschiedenste Fische sowie ein Lungenfisch der späten Triaszeit. Auch der weltweit
erste Nachweis von Tintenfisch-Knorpeln stammt aus diesen Gesteinen. Die große Diversität der entdeckten Fauna wie auch die
fantastische Erhaltung der Fossilien dieser Lagerstätten machen diese Zone zur einzigartigen Möglichkeit, die Umwelt der späten
Triaszeit bestmöglich zu erforschen und so neue Erkenntnisse zum Klima dieser Zeit zu gewinnen. Diese schmale geologischen
Zone und ihre Fossilien werden nun von einem internationalen Team breit untersucht.
Bewohner eines feindlichen Lebensraumes
Wie veränderte sich das Klima durch den gewaltigen Vulkanismus und den damit verbundenen enormen CO2 Ausstoß in die Atmosphäre?
Wie änderten sich dadurch die Ökosysteme an Land und in den Meeren? Zwei Millionen Jahre dauerte die globale Karnische Krise
an, deren Auswirkungen in den marinen Ablagerungen überliefert wurden. Die enthaltenen Fossilien geben erstmals Einblick in
die Lebensgemeinschaften im damaligen Ozean. Die späte Triaszeit war durch ein Treibhausklima mit monsunartigen Niederschlägen
geprägt. Dadurch gelangte vermehrt Schlamm ins Meer führte. Die Riffe erstickten und am Meeresboden wurde der Sauerstoff knapp.
Um diese Phase bestmöglich untersuchen zu können wird neben den üblichen Grabungen eine Kernbohrung durchgeführt. Dadurch
können chemisch unveränderte Gesteine geborgen werden und die Schichten Millimeter für Millimeter untersucht werden. Die Suche
nach einer geeigneten Stelle für diese Bohrung gleicht der Suche nach der berühmten „Nadel im Heuhaufen“. Gilt es doch die
oft durch Gebirgsbildung stark verformten Schichten möglichst senkrecht zu treffen und die Bohrkerne dann unversehrt zu bergen.
Die „Frische“ machts, je ungestörter und nach Millionen von Jahren unveränderter das Gestein zu Tage gefördert wird, desto
besser für die geochemischen und geophysikalischen Analysen.
Die internationale Forschung wird vom Land Niederösterreich (Wissenschaft und Forschung), den Freunden des Naturhistorischen
Museums Wien, der Naturkundlichen Gesellschaft Mostviertel sowie den Marktgemeinden Lunz am See und Gaming im Rahmen dieses
Klimaprojektes über drei Jahre kofinanziert.
Ein möglicher Sponsor für eine moderne 3D Animation der Lebewesen in diesem Ökosystem der Triaszeit wird noch gesucht. Bei
Interesse an einer finanziellen Unterstützung der filmischen Umsetzung des Projektes bitte wir Sie, sich dem nachstehenden
Link zu folgen.
Karnische Krise um den Lunzer See, NHM Wien, A. Lukeneder
Lebensbild zur Karnischen Krise, NHM Wien, A. Lukeneder, 7reasons
Gesteins-Dünnschliff mit Ammoniten, NHM Wien, A. Lukeneder
233 Millionen Jahre alter Borstenwurm, NHM Wien, A. Lukeneder
Reingrabener Schichten, NHM Wien, A. Lukeneder