Geschichte
Das Forschungslabor für molekulare Systematik wurde 1992 als "Chemosystematische Untersuchungsstelle" gegründet und war damals
das "DNA-Labor" der Ersten Zoologischen Abteilung (Wirbeltier-Abteilung). Die Einrichtung dieses Labors war eine Reaktion
auf die zunehmende Bedeutung molekulargenetischer Methoden für die Lösung systematisch-taxonomisch-phylogenetischer Fragestellungen.
Derartige "DNA-Labors" in Naturhistorischen Museen zu installieren, entsprach dem internationalen Trend. 2013 wurde die Ausstattung
des Labors um einen Reinraum erweitert, dessen UV-Bestrahlung und Filteranlagen die Untersuchung von alter DNA auf höchstem
technischen Niveau ermöglicht.
Grundlagen der molekularen Systematik
Untersuchungsobjekte der molekularen Systematik sind die molekularen Bausteine lebender Organismen, speziell die der Erbsubstanz
(DNA). Das Prinzip der molekularen Systematik beruht auf der Tatsache, dass sich der Verwandtschaftsgrad verschiedener Taxa
in der Ähnlichkeit ihrer DNA-Sequenzen (d.h. in der Abfolge der Einzelbausteine des DNA-Fadens) widerspiegelt. So wie in der
klassische Systematik die Ähnlichkeit morphologischer Eigenschaften als Grundlage dient, werden in der molekularen Systematik
molekulare Merkmale verglichen. Die in der klassischen Taxonomie herangezogenen morphologisch-anatomischen Merkmale reichen
oft nicht aus, um spezielle phylogenetische Fragestellungen aufzuklären. Gründe dafür können einerseits die geringe Anzahl
solcher Merkmale sein, andererseits Fehlinterpretationen aufgrund von Homoplasie (weil ähnliche Merkmale mehrfach unabhängig
voneinander entstanden sind). Die Analyse von DNA-Sequenzen hingegen ermöglicht den Vergleich von sehr vielen Merkmalen (jeder
DNA-Baustein entspricht einem Merkmal), sodass durch Homoplasie verursachte Widersprüche nicht so sehr ins Gewicht fallen.
Ein weiterer Vorteil molekularer Merkmale ist, dass auch kleinste Gewebeproben ausreichen, um genügend DNA zu isolieren. Auch
die Analyse von Museumsmaterial ist möglich, wodurch seltene oder ausgestorbene Tierarten in Untersuchungen einbezogen werden
können. Die Rekonstruktion der Stammesgeschichte einer Organismengruppe wird aber immer nur durch Kombination von "klassischen"
(z.B. morphologischen, anatomischen, ethologischen) und molekularen Merkmalen möglich sein.