Geologie & Paläontologie

Zentrales Thema der Säle 6 bis 9 ist die Entwicklungsgeschichte des Lebens in der Erdgeschichte. Beginnend mit den einfachsten algenartigen Lebensformen, die für die Bildung des Sauerstoffs in der Atmosphäre verantwortlich waren, führt die Ausstellung durch mehr als 4 Milliarden Jahre Lebensgeschichte. Die wesentlichen Entwicklungsschritte werden schlaglichtartig beleuchtet und anhand von Faunen von Weltrang präsentiert. Eine Fülle hochwertiger Exponate und Rekonstruktionen illustriert Meilensteine der Evolution.

 

Saal 6 | Die Erde – Ein dynamischer Planet

 

In Saal 6 – dem Geologiesaal – werden die Bezüge zwischen der Lithosphäre (Erdkruste und der oberste Teil des Erdmantels) und der Biosphäre (umfasst alle auf der Erde existierenden Lebewesen) beleuchtet.

Dabei wird der Bogen vom Aufbau der Erde bis hin zum Anthropozän gespannt – dem Zeitalter, in dem der Mensch begann, als geologische Kraft aufzutreten. An interaktiven Stationen können Veränderungen der Erde bis heute erfahren werden und zeigen auf, wie Leben möglich wurde.


 

: Die Balmhorngruppe in der Schweiz besteht aus ehemaligen Meeres-Sedimenten, die in gigantische Falten geworfen wurden. © Kurt Stüwe (Universität Graz), http://www.alpengeologie.org
Die Balmhorngruppe in der Schweiz besteht aus ehemaligen Meeres-Sedimenten, die in gigantische Falten geworfen wurden. © Kurt Stüwe (Universität Graz), http://www.alpengeologie.org
Wer mit Geologie nur langweilige Steine verbindet, wird in der neuen, mit vielen interaktiven Objekten ausgestatteten Ausstellung überrascht sein, wie umfassend die Erdwissenschaften heute versuchen, die Prozesse unseres Planeten zu entschlüsseln. Längst sind die Grenzen zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen verwischt und von den Gesteinen führt der Weg rasch hin zur Atmosphäre und Hydrosphäre oder in die Welt der Mikroben.

Die Ausstellung thematisiert wenig bekannte geologische Lagerstätten in den Ozeanen, wie Methan-Eis und Manganknollen, die durch Mikroorganismen gebildet werden. Als Energie- und Rohstoffquellen könnten sie den Bedarf der Industrie auf Jahrzehnte decken. Zugleich sind sie an fragile Ökosysteme gebunden, die durch Abbau für immer verlorengehen. Die gewaltigen Dimensionen dieser submarinen Lagerstätten, die sich über eine Fläche der Größe Europas erstrecken, illustrieren spektakuläre Videoaufnahmen von Tauchfahrten von GEOMAR und dem Ocean Exploration Trust.

Auch die Gefahr, die von Methan-Eis als Klimakiller ausgeht, zeigt die Ausstellung anhand von Beispielen der geologischen Vergangenheit. Dem Schmelzen des Methaneises vor 55 Millionen Jahren folgte eine Klimakatastrophe mit hohen Temperaturen und großer Trockenheit, die zu einer Verzwergung der Tierwelt führte. Ein ähnliches Ereignis vor 8000 Jahren löste einen Tsunami aus, dessen 20 Meter hohe Flutwelle die Küsten Nordeuropas verwüstete. In Hinblick auf die sich erwärmenden Ozeane sind schmelzende Methaneisvorkommen eine sehr reale Bedrohung für uns und unser ohnehin schon angeschlagenes Klimasystem.

Ein weiteres ungewöhnliches Thema der Ausstellung sind die Rythmen, die unseren Planeten prägen. Das Leben auf der Erde wird von den Bewergungen von Sonne, Erde und Mond bestimmt. Zyklen wie Tag und Nacht, die Mondphasen und die Jahreszeiten bestimmen den Lauf des Lebens und sind für Pflanzen, Tiere und Menschen unmittelbar spürbar. In einer audiovisuellen Installation macht die Ausstellung diese Rythmen als "Weltmusik" in ungewöhnlicher Weise erfahrbar.

Die Sphären der Erde

Lithosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre – das Zusammenwirken dieser vier Sphären macht die Erde einzigartig. Die Lithosphäre ist die feste Gesteinshülle, Hydrosphäre und Kryosphäre enthalten das flüssige und gefrorene Wasser, die Atmosphäre ist die Lufthülle und die Biosphäre umfasst alles Leben. Alle Sphären stehen im steten Austausch – nur dadurch ist Leben möglich.

 
Steckbrief
  • Die Litospähre entspricht einer Kugel von 4.000 km Durchmesser.
  • Die Atmosphäre entspricht einer Kugel von 2.000 km Durchmesser.
  • Alles Wasser der Erde ergibt eine Kugel von 1.400 km Durchmesser.
  • Die gesamte Biosphäre entspricht einer Kugel von nur 15 km Durchmesser.

: Die Sphären der Erde. © NHM Wien, Mathias Harzhauser
Die Sphären der Erde. © NHM Wien, Mathias Harzhauser

 

Die Erde entstand vor 4,54 Milliarden Jahren. Bei der allmählichen Abkühlung wurde die äußerste Schicht der Erde fest – die frühe Lithosphäre formte sich schon vor 4,4 Milliarden Jahren. Etwa zur gleichen Zeit bildete sich mit den ersten Ozeanen die Hydrosphäre. Auch die erste, allerdings sauerstofffreie Atmosphäre entstand bereits in der Frühphase der Erde. Die Entwicklung der Biosphäre begann vor 3,8 Milliarden Jahren mit bakterienartigen Einzellern. Die Plattentektonik setzte vor 4 Milliarden Jahren ein und hält den Austausch zwischen den Sphären bis heute am Laufen.

: Die Entwicklung des Lebens und die Bildung von Superkontinenten; © NHM Wien, Mathias Harzhauser
Die Entwicklung des Lebens und die Bildung von Superkontinenten; © NHM Wien, Mathias Harzhauser

Zerbrechlich wie Stein

Die feste Oberfläche der Erde ist die Lithosphäre. Sie besteht aus sieben großen und zahlreichen kleinen Platten. Die Platten schwimmen auf der Asthenosphäre, einem Teil des Erdmantels, der teilweise aufgeschmolzen ist. Die unterschiedliche Dichte der Gesteine und die Temperatur-Differenz führen zu Bewegungen im Erdmantel, die die Platten antreiben. Dabei verschieben sich die Platten bis zu 15 cm im Jahr.Die Plattentektonik hält die feste, oberste Schicht der Erde in Bewegung. Vor allem an den Rändern der Platten wirken große Kräfte. Temperatur und Druck steigen mit der Tiefe. Gesteine reagieren auf diesen Anstieg und werden verformt. Es entstehen Gebirge mit großen Faltensystemen, aber auch Störungszonen, an denen Gesteinsblöcke auseinanderbrechen und gegeneinander verschoben werden.




: Gesteinsfalte in Granulit (Krug, Niederösterreich)
Das Gestein wurde vor 340 Millionen Jahren bei 1000°C in 60 km Tiefe verformt. Leihgabe: Universität Wien, Institut für Geologie. © NHM Wien, Alice Schumacher
Gesteinsfalte in Granulit (Krug, Niederösterreich) Das Gestein wurde vor 340 Millionen Jahren bei 1000°C in 60 km Tiefe verformt. Leihgabe: Universität Wien, Institut für Geologie. © NHM Wien, Alice Schumacher
Motor des Lebens
Ohne Plattentektonik gäbe es kein Leben. Durch die Bewegung der Platten gelangt Kohlendioxid, das in Form von abgestorbenen Organismen in den Sedimenten gespeichert ist, in den Erdmantel. Millionen Jahre später kommt dieses Treibhausgas über Vulkane wieder zurück in die Atmosphäre – als Lebensgrundlage für die Fotosynthese von Pflanzen und Plankton. Ohne diesen Nachschub wäre das Kohlendioxid der Atmosphäre in einer Million Jahre völlig verbraucht.


Plattentektonik-Animation. © Florian Doppel-Prix

Der Lithosphärenkreislauf
Die Plattentektonik hält das Material der Lithosphäre in einem ständigen Kreislauf. Bricht eine Platte auseinander, entstehen Gräben – wie derzeit der Ostafrikanische Grabenbruch. Wandern die Platten weiter auseinander, steigt entlang der Plattengrenzen Magma auf. Mittelozeanische Rücken mit jungen, vulkanischen Gesteinen und weit geöffnete Ozeanbecken wie der Atlantik entstehen. Schließlich wird die dichtere ozeanische Kruste an den Rändern unter die kontinentale Kruste geschoben – wie heute im Pazifik. Dabei wird die ozeanische Kruste völlig recycelt. Da dieser Zyklus rund 180 Millionen Jahre dauert, gibt es keine älteren Ozeanböden.

Kreislauf der Gesteine: Kreislauf der Gesteine; © Mark Belan / artscistudios.com
Kreislauf der Gesteine; © Mark Belan / artscistudios.com

Der Aufbau der Erde

Wir können nicht in den Erdmantel oder in den Erdkern blicken! Selbst in die Erdkruste sind wir mit Bohrungen nur 12 Kilometer tief vorgedrungen. Unser Wissen über den inneren Aufbau der Erde stammt aus Untersuchungen über die Ausbreitung von Erdbebenwellen. Auch Eisen-Meteorite liefern wertvolle Information, da sie vermutlich dem Erdkern ähnlich sind.



 

Die Erdkruste
Ozeanische und kontinentale Kruste bilden die obersten Anteile der Erdoberfläche. Die etwa 5 bis 10 km dicke ozeanische Kruste besteht vorwiegend aus dem Tiefengestein Gabbro und dem vulkanischen Basalt. In der 30 bis 60 km dicken kontinentalen Kruste überwiegen Gesteine mit hohen Quarz-Anteilen, wie Granit und der vulkanische Rhyolith.


: Vulkanit: Ryholith (Sarntal, Südtirol, Italien), 280 Millionen Jahre alt.
© NHM Wien, Alice Schumacher
Vulkanit: Ryholith (Sarntal, Südtirol, Italien), 280 Millionen Jahre alt. © NHM Wien, Alice Schumacher
Der Erdmantel
Der Erdmantel ist fest, aber plastisch verformbar. Er reicht von der Erdkruste bis zum Erdkern in 2900 km Tiefe. Innerhalb des Erdmantels steigt die Temperatur zum Erdkern hin auf bis zu 3500°C. Typische Gesteine des Erdmantels sind der Peridotit und der Eklogit. Der Erdmantel ist in ständiger Bewegung: Heißes Material aus der Nähe des Erdkerns dringt langsam aufwärts, während kühleres und dichteres Gestein aus dem oberen Bereich nach unten sinkt. Diese Zirkulation verläuft langsam und dauert viele Millionen Jahre. In der Nähe der Erdkruste kann das Gestein aufschmelzen, weil der Druck geringer wird. Neue Tiefengesteine entstehen oder kommen in Vulkanen an die Oberfläche.

 

: Darstellung der Strömungen des Magmas im Erdmantel. © focusTerra – das Earth & Science Discovery Center der
ETH Zürich, Schweiz (Entwickelt von Tobias Rolf)
Darstellung der Strömungen des Magmas im Erdmantel. © focusTerra – das Earth & Science Discovery Center der ETH Zürich, Schweiz (Entwickelt von Tobias Rolf)
Der Erdkern
Unter dem Erdmantel befindet sich der Erdkern, der einen Durchmesser von 7000 km hat. Der Erdkern besteht aus Eisen und Nickel. Der innere Kern ist bis 5000°C heiß und wegen des hohen Drucks fest. Der äußere Kern ist flüssig. Dieser flüssige Bereich ist gemeinsam mit der Drehung der Erde für die Entstehung des Erdmagnetfeldes verantwortlich. Seit 4 Milliarden Jahren schützt dieses Magnetfeld die Erde vor harter UV-Strahlung. Es war eine Voraussetzung für die Entwicklung des Lebens an Land.



: Eisenmeteorit Gibeon mit Widmannstätten-Struktur (Namaqualand Region, Namibia), 4,56 Milliarden Jahre alt. Er stammt vom metallischen Kern eines kleinen Planeten. Der Kern der Erde enthält vermutlich ähnliche Strukturen.
© NHM Wien, Alice Schumacher
Eisenmeteorit Gibeon mit Widmannstätten-Struktur (Namaqualand Region, Namibia), 4,56 Milliarden Jahre alt. Er stammt vom metallischen Kern eines kleinen Planeten. Der Kern der Erde enthält vermutlich ähnliche Strukturen. © NHM Wien, Alice Schumacher

Geologische Revolution des Lebens

Sobald das Leben entstand, begann es, seine Umwelt zu verändern. Selbst die Gesteine wurden durch das Leben einem Wandel unterworfen. Dabei waren zwei große Umbrüche entscheidend: Die Erfindung der Fotosynthese und die Entwicklung des Bodens.



 

Die Farben der Erde

Das Leben hat seinen Ursprung vor etwa 3,8 Milliarden Jahren. Zu seinen bedeutendsten „Erfindungen“ zählt die Fotosynthese. Sie funktioniert seit 3,4 Milliarden Jahren. Sie ermöglicht Pflanzen und Plankton, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen und Sauerstoff als „Abfallprodukt“ abzugeben. Vor 2,4 Milliarden Jahren war schließlich so viel Sauerstoff in der Atmosphäre angereichert, dass die Erde zu „rosten“ begann. Das Ereignis wird als „Große Sauerstoff-Katastrophe“ bezeichnet. Die neu gebildeten Mineralien veränderten das Aussehen der Erde für immer. Ohne Sauerstoff gäbe es weder das Braun des Bodens noch das Gelb der Wüste.


 

: Meeresküste mit Stromatolithen vor mehr als zwei Milliarden Jahren. Methan färbte die frühe Sauerstoff-Atmosphäre rosa. Der Mond war der Erde näher als heute.
© NHM Wien, Mathias Harzhauser
Meeresküste mit Stromatolithen vor mehr als zwei Milliarden Jahren. Methan färbte die frühe Sauerstoff-Atmosphäre rosa. Der Mond war der Erde näher als heute. © NHM Wien, Mathias Harzhauser
Einzigartig im Sonnensystem: Boden
An der Schnittstelle zwischen Lithosphäre und Atmosphäre hat das Leben selbst einen einzigartigen Lebensraum erschaffen: den Boden. Bodenbildung konnte erst vor 470 Millionen Jahren mit der Besiedelung des Festlandes durch Pflanzen beginnen. Sie funktioniert bis heute nach demselben Prinzip: durch Symbiose zwischen Pilzen und den Wurzeln der Pflanzen. Die Pilze lösen Nährstoffe aus dem Gestein und geben sie an die Pflanzen ab. Die Pflanzen „füttern“ die Pilze mit Zucker. Diese Symbiose führte zu einer völlig neuen Form von Verwitterung, durch die gewaltige Mengen an Nährstoffen verfügbar wurden.
 

: Mykorrhiza: Die Lebensgemeinschaft zwischen Wurzeln und Pilzen
zählt zu den bedeutendsten Symbiosen der Welt. 
© Stephanie Werner / Julius Kühn-Institut (JKI)
Mykorrhiza: Die Lebensgemeinschaft zwischen Wurzeln und Pilzen zählt zu den bedeutendsten Symbiosen der Welt. © Stephanie Werner / Julius Kühn-Institut (JKI)

In Stein geschrieben

Jedes Gestein hat seine Geschichte. Man kann sie aus seinen Bausteinen, den Mineralen, ablesen.
Die Mineral-Zusammensetzung und die Form, Größe und Anordnung der Minerale verraten, unter welchen Bedingungen ein Gestein entstanden ist. Doch kein Stein hält ewig: Durch Verwitterung und Plattentektonik entstehen neue Gesteine.



 

Unter Druck - Metamorphite
Durch Gebirgsbildung und Plattentektonik werden Gesteine in der Erdkruste versenkt und umgewandelt. Je nach Druck und Temperatur verändert sich das Gefüge und neue Mineralien entstehen. Aus diesem „Fingerabdruck“ lässt sich die Tiefe berechnen, in der ein Gestein entstand.
Aus Graniten oder auch aus Sandsteinen kann sich unter Druck Gneis bilden. Ehemalige Korallenriffe werden zu Marmor, und vulkanischer Basalt verwandelt sich in Amphibolit.
: Marmor (hell) mit Lagen aus Amphibolit (dunkel) Atzelsdorf, Niederösterreich. Gebildet vor 340 Millionen Jahren in einer Tiefe von 30 km bei 750°C; Geschenk: Hengl Mineral GmbH.
© NHM Wien, Alice Schumacher
Marmor (hell) mit Lagen aus Amphibolit (dunkel) Atzelsdorf, Niederösterreich. Gebildet vor 340 Millionen Jahren in einer Tiefe von 30 km bei 750°C; Geschenk: Hengl Mineral GmbH. © NHM Wien, Alice Schumacher
Botschafter der Tiefe – Magmatite
Steigt Magma nach oben, kühlt es ab und erstarrt. Je langsamer es abkühlt, umso mehr Zeit haben die Kristalle zum Wachsen. Nacheinander kristallisieren in der Schmelze verschiedene Mineral-Arten aus; große Kristalle können sich bilden. Diese Tiefengesteine aus dem Erdmantel und der Erdkruste kommen erst durch die Plattentektonik an die Erdoberfläche.
Dringt Magma schnell nach oben, bleibt keine Zeit zum Abkühlen: Vulkanite erstarren erst an der Erdoberfläche und bestehen aus kleinen Kristallen.


: Weinsberger Granit (Ardagger Markt, Niederösterreich), gebildet vor 345 Millionen Jahren in bis zu 25 km Tiefe bei bis zu 700°C;
Geschenk: Hinterholzer GmbH
© NHM Wien, Alice Schumacher
Weinsberger Granit (Ardagger Markt, Niederösterreich), gebildet vor 345 Millionen Jahren in bis zu 25 km Tiefe bei bis zu 700°C; Geschenk: Hinterholzer GmbH © NHM Wien, Alice Schumacher
Auf Sand gebaut – Sedimente

Sedimente oder Ablagerungsgesteine – wie Ton, Sand und Kies – entstehen durch Verwitterung von Gesteinen. Mit nur wenigen Kilometern Dicke bilden sie bloß die dünne Haut der Lithosphäre. Sie können Reste von Lebewesen enthalten und sind daher wichtige Kohlendioxid-Speicher.
Auch Lebewesen selbst können Sedimente bilden. Ganze Gebirge bestehen nur aus Schalen von Einzellern: aus kalkigen Foraminiferen, kalkigem Nannoplankton oder aus Quarz-Gehäusen von Kieselalgen.


: Versteinerter Schlamm mit Wellenrippeln einer ehemaligen Gezeitenküste (Dubová Hora, Tschechische Republik), Kambrium, 510 Millionen Jahre alt. 
© NHM Wien, Alice Schumacher
Versteinerter Schlamm mit Wellenrippeln einer ehemaligen Gezeitenküste (Dubová Hora, Tschechische Republik), Kambrium, 510 Millionen Jahre alt. © NHM Wien, Alice Schumacher

Es hätte auch ganz anders kommen können.

Nicht alle Revolutionen des Lebens waren erfolgreich; die Entwicklung des Lebens verlief nicht linear! Die ersten mehrzelligen Lebewesen erschienen bereits vor 2,1 Milliarden Jahren: Die Gabonionta kennt man aus Gabun in Westafrika. Sie waren mehrere Zentimeter groß, starben aber bald wieder völlig aus. Ursache war ein starker Rückgang des Sauerstoffgehaltes in der Atmosphäre.
Ohne diese Katastrophe wäre die Entwicklung des Lebens gänzlich anders verlaufen. Erst eine Milliarde Jahre später entstanden wieder mehrzellige Lebewesen.








: Ein Originalexemplar einer von mehreren Gabonionta-Arten. Franceville, Gabun, Westafrika; 2,1 Milliarden Jahre alt; Leihgabe: Abderrazak El Albani | Université de Poitiers, Poitiers, Frankreich.
© NHM Wien, Alice Schumacher
Ein Originalexemplar einer von mehreren Gabonionta-Arten. Franceville, Gabun, Westafrika; 2,1 Milliarden Jahre alt; Leihgabe: Abderrazak El Albani | Université de Poitiers, Poitiers, Frankreich. © NHM Wien, Alice Schumacher
Alternative Welten
In einem Projekt hat sich die Klasse Design Investigations der Universität für angewandte Kunst Wien damit beschäftigt, wie die Welt aussehen könnte, wenn die Gabonionta sich weiterentwickelt hätten. Die fiktiven Szenarien haben keinen Anspruch auf wissenschaftliche „Korrektheit“. Sie sollen aber die unendliche Vielfalt an Wegen veranschaulichen, die dem Leben offenstanden... und vielleicht noch immer offenstehen?


 

© Film von Anna Maria Sudy, Lisa Sperber, Rosa Sturm und Markus Pettrém.

Leben als geologische Kraft

Kalk, Kohle und Erdöl werden von Lebewesen gebildet. Sie binden Kohlenstoff aus der Atmosphäre für Millionen Jahre in der Lithosphäre. Die wichtigsten Kohle-Lagerstätten stammen aus der Karbonzeit und sind über 300 Millionen Jahre alt. Seither speichern sie Kohlendioxid, das tropische Regenwälder damals der Atmosphäre entzogen haben. Erdöl- und Erdgas hingegen bildete sich vor allem aus mikroskopisch kleinen Meeresorganismen wie Algen. Neben Öl und Gas wurden noch zwei weitere, wenig bekannte Rohstoffe von Mikroorganismen gebildet: Methan-Eis und Manganknollen.


Methan – ein schlafender Riese
Weit wichtiger als Kohle, Erdöl und Erdgas sind Gashydrate als Kohlenstoff-Speicher. In gewaltigen Mengen treten sie zu Eis gefroren an den Kontinentalhängen der Ozeane und in Permafrost-Gebieten auf. Sie werden von einzelligen Mikroorganismen, Archaeen, gebildet. Ihr Hauptbestandteil ist Methan, das als fossiler Brennstoff abgebaut werden kann. Da beim Abbau die Kontinentalhänge regelrecht umgepflügt werden, kommt es zur massiven Zerstörung von Lebensräumen.
Die derzeitige Erderwärmung könnte zum Aufschmelzen des Methan-Eises führen und eine globale Klima-Katastrophe auslösen.

 

: Methan-Eis im Meeresschlamm, Schnitt durch die oberste Sedimentschicht (Modell).
© NHM Wien, Alice Schumacher
Methan-Eis im Meeresschlamm, Schnitt durch die oberste Sedimentschicht (Modell). © NHM Wien, Alice Schumacher
Manganknollen – bedrohter Lebensraum
Manganknollen entstehen durch Eisenbakterien am Ozeanboden in über 4000 Meter Tiefe. Sie bedecken ein riesiges Feld im Pazifik – halb so groß wie Europa! Neben Mangan enthalten die Knollen hohe Anteile an Nickel, Kobalt, Tellur und Kupfer – wichtige Rohstoffe für Computer, Mobiltelefone und Autobatterien. Manganknollen wachsen in einer Million Jahren nur um wenige Millimeter. Der Abbau durch Schleppnetze zerstört diesen Tiefsee-Lebensraum für immer.




Geologische Gefahr aus der Tiefe
Vor 56 Millionen Jahren erwärmte sich das Klima schlagartig. Das in den Kontinentalhängen gefrorene Methan-Eis begann zu schmelzen, und große Mengen an Methan gelangten binnen kurzer Zeit in die Atmosphäre. In nur 5000 Jahren stieg die Temperatur um 8°C an! Selbst in Sibirien war das Meer 27° warm. Es kam zu einem Umbruch in Pflanzen- und Tierwelt: Die Lebewesen passten sich durch Kleinwüchsigkeit an das heiße, trockene Klima an. In vielen Tiergruppen, von Würmern bis zu Urpferden und Urraubtieren, kam es zu „Verzwergung“.
Es dauerte etwa 200.000 Jahre, bis das Methan wieder abgebaut war und das Klima sich stabilisierte.



: Verzwergtes Säugetier – Diacodexis, ein früher Paarhufer (vor 55 Millionen Jahren). © NHM Wien, Alice Schuhmacher
Verzwergtes Säugetier – Diacodexis, ein früher Paarhufer (vor 55 Millionen Jahren). © NHM Wien, Alice Schuhmacher
Die Storegga-Rutschung
Vor 8200 Jahren begann das Methan-Eis vor den Küsten Norwegens zu schmelzen. Eine gewaltige Schuttlawine rutschte in die Tiefe und erzeugte eine bis zu 20 Meter hohe Flutwelle. Sollten die modernen Gashydrate schmelzen, wären ebenfalls Tsunamis die Folge.
 

: Die Storegga-Rutschung: Rote Punkte kennzeichnen Orte, an denen die Flutwelle noch heute erkennbare Schäden anrichtete. © NHM Wien, Rosemarie Hochreiter
Die Storegga-Rutschung: Rote Punkte kennzeichnen Orte, an denen die Flutwelle noch heute erkennbare Schäden anrichtete. © NHM Wien, Rosemarie Hochreiter

Gesteine als Klimarchiv

Das Klima steuert die Verwitterung und somit auch die Ablagerung von Sedimenten. Sedimentgesteine sind daher gute Klima-Archive. Chemische und physikalische Eigenschaften und der Fossilinhalt der Gesteine zeigen kalte oder warme Phasen an und erlauben Rückschlüsse auf Nährstoffe und Niederschläge. Durch lange Sediment-Abfolgen kann die Klima-Entwicklung der Erde über Millionen von Jahren rekonstruiert werden. Besonders gute Klima-Archive sind Bohrkerne aus dem Ozean oder aus tiefen Seen.


Die "Fieberkurve" der Erde
Bohrkerne erlauben die Rekonstruktion des Klimageschehens über viele Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit. Das Eozän war von sehr warmem Klima geprägt, deutlich wärmer als heute. Erst vor 35 Millionen Jahren kühlte sich die Erde ab und am Südpol bildeten sich Eisschilde. Im späten Pliozän, vor etwa 3,6 Millionen Jahren, begann auch der Nordpol zu vergletschern. Das Quartär war dann durch Eiszeit-Zyklen geprägt, die bis heute andauern. Wichtige Auslöser für Änderungen im Klimasystem waren Gebirgsbildung und Änderungen der globalen Meeresströmungen durch Plattentektonik.


 

: „Fieberkurve“ der Erde während der letzten 66 Millionen Jahre: Die roten und blauen Farbtöne zeigen die Abweichung zur Temperatur des Zeitraums 1961 bis heute. 
© Thomas Westerhold / MARUM UniBremen
„Fieberkurve“ der Erde während der letzten 66 Millionen Jahre: Die roten und blauen Farbtöne zeigen die Abweichung zur Temperatur des Zeitraums 1961 bis heute. © Thomas Westerhold / MARUM UniBremen

Der Mensch als geologische Kraft

Seit tausenden von Jahren verändert der Mensch seine Umwelt nachhaltig. Er ist zu einer geologischen Macht geworden. Das geologische Zeitalter des Menschen ist das Anthropozän, nach dem griechischen Wort „Anthropos“ für Mensch.
Stahl, Beton und Plastik – Seit 2020 übersteigt die Menge an Material, das von Menschen erschaffen wurde, die Menge der gesamten Biomasse der Erde! Noch lange nach dem Aussterben der Menschheit werden mächtige Ablagerungen von Stahl, Beton und Plastik weite Teile der Erde bedecken. Bis in die Tiefen der Ozeane lässt sich das Anthropozän durch Schwermetalle und Mikroplastik nachweisen. Auch die Erwärmung der Atmosphäre durch Treibhausgase und die Übersäuerung der Ozeane sind Merkmale des Anthropozäns.



 

: Klimaentwicklung der Erde während der letzten 600 Millionen Jahre. 
© NHM Wien, Mathias Harzhauser
Klimaentwicklung der Erde während der letzten 600 Millionen Jahre. © NHM Wien, Mathias Harzhauser
Der Beginn des Anthropozäns
Der Beginn jeder geologischen Epoche wird durch ein globales Ereignis definiert, etwa durch das erste Auftreten eines Lebewesens. Durch welches Ereignis der Beginn des Anthropozäns definiert werden soll, wird in der Forschung diskutiert. Das Ereignis sollte auch noch in Millionen Jahren weltweit in den Sedimenten nachweisbar sein. Das Erstauftreten des Homo sapiens vor 300.000 Jahren eignet sich daher nicht als Startpunkt. Eine Möglichkeit wäre der erste Atombomben-Test im Jahr 1945. Der radioaktive Niederschlag, der auf diese und weitere etwa 2100 Explosionen folgte, ist weltweit nachweisbar – und wird es auch noch in Millionen Jahren sein.

: Blick auf Hongkong - Megacities als Wahrzeichen des Anthropozäns? 
© KEHAN CHEN via Getty Images
Blick auf Hongkong - Megacities als Wahrzeichen des Anthropozäns? © KEHAN CHEN via Getty Images
: Atombombentest "Climax" vom 4. Juni 1953 in Nevada. 
    © Stocktrek Images via Getty Images
Atombombentest "Climax" vom 4. Juni 1953 in Nevada. © Stocktrek Images via Getty Images
Die Geschichte des „Kaisersaals“
Saal 6 ist der älteste eingerichtete Saal des Naturhistorischen Museums. Er trägt bis heute den Beinamen „Kaisersaal“. Diesen Namen verdankt er zwei Gründen: Zum einen war hier ursprünglich das „Kaiserbild“ untergebracht, das sich heute im Stiegenhaus befindet. Zum anderen ist das dekorative Programm des Saales ganz auf den Bauherrn Kaiser Franz Joseph I. abgestimmt.


: Das Schiff „Admiral Tegetthoff“ im Packeis.
Foto: © NHM Wien, Alice Schumacher
Das Schiff „Admiral Tegetthoff“ im Packeis. Foto: © NHM Wien, Alice Schumacher
Sechs der sieben Ölgemälde zeigen Orte, die nach dem Kaiser benannt sind:
  • "Kaiser Franz Josef Fjord, Ostküste von Grönland von Albert Zimmermann (1809–1888)
  • "Kaiser Franz Josef Land, Der verlassene Tegetthoff" von Julius von Payer (1841–1915)
  • "Kaiser Franz Josef Gletscher Neu-Seeland" von Adolf Obermüllner (1833–1898)
  • "Franz Josefhöhe mit der Pasterze" von Eduard Peithner von Lichtenfels (1833–1913)
  • "Cap Tyrol, K. Franz Josef Land" von Julius von Payer (1841–1915)
  • "Der Austria Sund", ein Nachtbild von Kaiser Franz Josef Land, von Julius von Payer (1841–1915)

Das Bild »Der Austria Sund« von Julius Ritter von Payer ist verlorengegangen und wurde durch ein modernes Gemälde des Malers Franz Messner (2006) ersetzt. Das Gemälde »Aus Dalmatien« wurde von Lea von Littrow (1856–1925) ausgeführt – der einzigen Malerin, die bei der Ausgestaltung des Museums tätig war. Sie arbeitete unter dem Pseudonym »Leo Littrow«.

Wie alle Ecksäle im Hochparterre ist Saal 6 zusätzlich mit Skulpturen ausgestattet. Diese stammen vom Bildhauer Edmund Hofmann von Aspernburg (1847–1930).
Vier Figuren repräsentieren die seit der Antike immer wieder genannten „vier Elemente“: Erde, Wasser, Feuer und Luft. Die anderen Figuren zeigen einige chemische Elemente, die als Rohstoffe von Bedeutung waren.


 





: Allegorische Darstellung des "Elements" Luft. © NHM Wien, Alice Schumacher
Allegorische Darstellung des "Elements" Luft. © NHM Wien, Alice Schumacher

Saal 7 - Präkambrium (Erdfrühzeit) und Paläozoikum (Erdaltertum)

widmet sich im Besonderen der Erdfrühzeit (Präkambrium), dem Erdaltertum (Paläozoikum) und deren Lebewesen. Besonders herauszustreichen sind die Ediacara-Fauna mit ihren frühen Vielzellern und die bizarren Burgess-Tiere. Die meisten Vertreter beider Gruppen besitzen keine direkten lebenden Nachfahren. Attraktive Rekonstruktionen ermöglichen es den Besuchern, sich diese Lebewesen besser vorzustellen.

Weitere Highlights sind ein plastisch rekonstruierter Karbonwald mit Riesenlibellen und ein Diorama eines rund 420 Millionen Jahre alten Riffs aus dem Silur von Gotland. Ein echter Besuchermagnet ist die „Zeitmaschine“, die es erlaubt, durch das Drehen eines Steuerrades virtuell durch die Zeit zu reisen und sich die Verteilung der Kontinente anzusehen. Sogar ein Blick in die Zukunft ist möglich.

Saal 8 -  Mesozoikum (Erdmittelalter, vor 252 bis 66 Millionen Jahren)

ist dem Erdmittelalter gewidmet, dem Zeitalter der Dinosaurier und einer der spannendsten Perioden in der Erdgeschichte. Vielfältig wie die Lebewesen zur damaligen Zeit sind auch die Ausstellungsobjekte: Der Bogen spannt sich von echten Saurierskeletten und fossilen Urvögeln über wagenradgroße Ammoniten, Seelilien und versteinerte Korallenriffe bis zu den Resten der ersten Blütenpflanzen.

Die frei im Raum montierten, lebensechten Rekonstruktionen behaarter Flugsaurier zählen zu den absoluten Publikumslieblingen. „Verabschiedet“ werden die Besucher mit einem simulierten Meteoriteneinschlag, wie er das Ende des Erdmittelalters markierte.

 

Saal 9 - Känozoikum (Erdneuzeit, vor 66 Millionen Jahren bis zur Gegenwart)

hat die Erdneuzeit zum Mittelpunkt. Eine Fülle von Pflanzen- und Tierfossilien aus dem Wiener Raum vermittelt einen Eindruck vom Leben zur damaligen Zeit. Besondere Objekte sind das vollständige Skelett eines 17 Millionen Jahre alten Hauerelefanten (Prodeinotherium), ein gewaltiges fossiles Palmblatt, drei Evolutionsstufen der Pferdeentwicklung (z.B. Messelpferd), zahlreiche Bernsteinfossilien, die gewaltigen Gliedmaßen des Krallentiers Chalicotherium sowie das Diorama eines tropischen Korallenriffes vor 14 Millionen Jahren.

Die so genannte „Pferdemaschine“ (Hippolab) ermöglicht es, Evolution hautnah mit zu erleben. Die Entwicklung des Pferdes wird in vier Zeitschnitten anhand von Animationen vorgeführt. Durch das Betätigen von Drehknöpfen kann der Besucher die Veränderung vom kleinen Urpferdchen bis zum modernen Pferd in 4 Schritten selbst auslösen. Simultan mit der Zeit verändern sich die Gestalt und die Größe der Pferde, ihr Lebensraum, ihre Nahrung und ihre Verbreitungsgebiete.

Allen, die mehr wissen wollen, empfehlen wir einen Besuch und unser Buch 100 Schritte Erdgeschichte, das mit kurzweiligen Texten durch die Geschichte unserer Erde führt und weit über einen „gewöhnlichen“ Saalführer hinausgeht.

  
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