Eröffnung der Ausstellung „Der kalte Blick“ in der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin

19. Oktober 2020
Das Naturhistorisches Museum Wien zeigt letzte Bilder jüdischer Familien aus dem Ghetto von Tarnów.
Ende 1941 entwickelten zwei Wiener Wissenschaftlerinnen ein Projekt zur „Erforschung typischer Ostjuden“. Mit „kaltem Blick“ fotografierten sie im März 1942 in der deutsch besetzten polnischen Stadt Tarnów mehr als hundert jüdische Familien, insgesamt 565 Männer, Frauen und Kinder. Von diesen überlebten nur 26 den Holocaust und konnten später davon berichten. Erhalten geblieben sind die Bilder und Kurzbiografien der Ermordeten. Die Ausstellung in der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin dokumentiert zum einen das ehrgeizige Vorgehen der beiden Wissenschaftlerinnen. Zum anderen erzählt sie vom Leben der Juden in Tarnów vor 1939 und von deren Ermordung unter deutscher Herrschaft – exemplarisch für die Verfolgung und Vernichtung hunderter jüdischer Gemeinden in dem von Deutschen beherrschten und terrorisierten Polen.

Die sogenannte physische Anthropologie ist Teil der Forschung des Naturhistorischen Museums Wien. In der Anthropologischen Sammlung entdeckte Dr. Margit Berner, seit 1991 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin am NHM Wien, einen Karton, der die Fotos der nun bekannten jüdischen Familien enthielt. Berner ist es zu verdanken, dass die Menschen von Tarnów und ihre Geschichte, ihre Familien und ihre Individualität ins Blickfeld geraten sind. In jahrelanger mühevoller Kleinarbeit machte sie einige Familien ausfindig. Für viele waren es die ersten Fotos ihrer Angehörigen, für einige die einzigen. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind nicht nur in dieser Ausstellung, sondern auch in dem umfangreichen Buch „Letzte Bilder. Die „rassenkundliche“ Untersuchung jüdischer Familien im Ghetto Tarnów 1942“ veröffentlicht.
 
„Die Ausstellung ist nicht nur eine Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, sie ist auch ein Aufruf an die Wissenschaft, Position zu beziehen und unterschwellige Vorurteile zu identifizieren. Speziell die Anthropologie als umkämpftes und nach vielen Seiten offenes Forschungsfeld bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen naturwissenschaftlicher Exaktheit von Messdaten und geisteswissenschaftlicher Interpretation über einem Abgrund aus Vorurteilen und unreflektierten Erfahrungen. Lassen Sie uns diese Ausstellung zum Anlass nehmen, der Opfer zu gedenken und den Mechanismen in der Gesellschaft, aber auch in der Wissenschaft, vorzubeugen, die uns davon abhalten, uns als eine globale Gemeinschaft von Menschen zu begreifen, die die Herausforderungen unserer Zeit meistern müssen“, betont Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland in ihrer Eröffnungsrede.
 
Die Eröffnung mit Prof. Monika Grütters, deutsche Staatsministerin für Kultur und Medien, wird am Dienstag dem 20. Oktober 2020, um 19.00 Uhr hier im Live-Stream zu sehen sein: https://www.topographie.de/livestream/
 
Der Stream der Ausstellungseröffnung ist anschließend 14 Tage abrufbar.
 
Ausstellung „Der kalte Blick.
Letzte Bilder jüdischer Familien aus dem Ghetto von Tarnów“
21. Oktober 2020 bis 11. April 2021
Eine Ausstellung der Stiftung Topographie des Terrors, der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und des Naturhistorischen Museums Wien. 
 
Eröffnung
https://www.topographie.de/fileadmin/topographie/public/Veranstaltungen/Der_kalte_Blick___Eroeffnung___Web.pdf
 
Projektträger und Herausgeber
Naturhistorisches Museum Wien, Dr. Kathrin Vohland
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker
Stiftung Topographie des Terrors, Dr. Andrea Riedle
 
Katalog zur Ausstellung:
„Der kalte Blick Letzte Bilder jüdischer Familien aus dem Ghetto von Tarnów“
Deutsch/Englisch, 272 Seiten
Erhältlich um € 18,00
 
Buch zur Ausstellung:
„Letzte Bilder. Final Pictures.
Die „rassenkundliche“ Untersuchung jüdischer Familien im Ghetto Tarnów 1942“
The 1942 „Race Study“ of Jewish Families in the Tarnów Ghetto
Herausgegeben von der Stiftung Topgraphie des Terrors/Andrea Riedle in der Reihe „Notizen: Visuell - 3“
Deutsch/Englisch, 294 Seiten
ISBN: 978-3-95565-407-8
Erhältlich um € 39,00 im Buchhandel.
 
Stiftung Topographie des Terrors
Rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts
Niederkirchnerstraße 8
10963 Berlin
https://www.topographie.de/topographie-des-terrors/
 
Öffnungszeiten
täglich 10.00 – 20.00 Uhr
Außenbereiche bis Einbruch der Dunkelheit (spätestens 20.00 Uhr)
Schließtage: 24., 31. Dezember und 1. Januar
Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellungen sind für Rollstuhlfahrer barrierefrei.
Besucherinformation
Telefon +49 (30) 254509 DW 50
 
Zur Ausstellung findet drei Begleitveranstaltungen (26.01.2021, 23.02.2021 und 23.03.2021) statt.
https://www.topographie.de/fileadmin/topographie/public/Veranstaltungen/Der_kalte_Blick___Flyer___Web.pdf
 
Pressestelle:
Kay-Uwe von Damaros
Tel.: +49 (30) 254509 DW 35
presse@topographie.de
 
Rückfragehinweis im Naturhistorischen Museum Wien:
Mag. Irina Kubadinow
Leitung Kommunikation & Medien, Pressesprecherin
Tel.: + 43 (1) 521 77 DW 410
irina.kubadinow@nhm-wien.ac.at
 
Mag. Nikolett Kertész, Bakk. BA
Kommunikation & Medien, Pressereferentin
Tel.: + 43 (1) 521 77 DW 411
nikolett.kertesz@nhm-wien.ac.at
Der kalte Blick
Letzte Bilder jüdischer Familien aus dem Ghetto von Tarnów
© NHM Wien, W. Reichmann
Die Schachtel mit der Aufschrift „Tarnow Juden 1942”
In dieser Schachtel fanden sich die durchnummerierten Fotos. Sie zeigen jeweils vier verschiedene Porträts von 565 Personen, in stets gleichen und damit vergleichbaren Perspektiven.

© NHM Wien, W. Reichmann
Dora Maria Kahlich (stehend) bei der anthropologischen Arbeit
1933/34 untersuchte sie donauschwäbische Familien im rumänischen Marienfeld (Teremia Mare).
© NHM Wien
Zusammengetriebene Juden auf dem Tarnówer Marktplatz im Juni 1942
Stundenlang mussten tausende Menschen kniend und hockend auf dem Marktplatz verharren. Ständig wurden neue Gruppen herbeigetrieben. Ein deutscher Polizist (Stahlhelm) und ein Unteroffizier der Waffen-SS am Rand des Marktplatzes. An der Fassade des Rathauses marschieren Männer mit Baretts, die zur Uniform des Polnischen Baudienst gehören.

© Belarussisches Nationalarchiv
Die Festgehaltenen leiden Durst.
Ein Mann mit Armbinde, der möglicherweise zum jüdischen Ordnungsdienst gehört, schöpft Wasser mit einem Becher aus einem herbeigebrachten Eimer.

© Belarussisches Nationalarchiv
  
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