Die vereinigten k.k. Naturalien-Cabinete 1806-1851

(das zoologische, botanische und mineralogische)

Eine der bedeutensten Epochen in der Geschichte dieser Sammlungen setzt 1806 mit der Ernennung Carl von Schreibers (1775-1852) als Direktor der Naturalienkabinette durch Kaiser Franz II. (Franz I.) ein. Schreibers, ein hervorragender und anerkannter Gelehrter, ein begnadeter Organisator, legte schon mit 17 Jahren eine Conchyliensammlung an und publizierte diese in 2 Bänden; sein besonderes Interesse aber galt der einheimischen Spinnenfauna.
 

Er sorgte für entscheidende Reformen, unter seiner Leitung wurde das Naturalienkabinet zu einer der wichtigsten Forschungsstätten Europas. Wissenschaftler von Weltruf betreuten die Sammlungen der Wirbellosen. Der Arzt und Zoologe Johann Gottfried Bremser (1767-1827), dessen Spezialgebiet die parasitischen Würmer (Eingeweidewürmer, Helminthen) waren, legte die größte und bedeutendste Helminthensammlung der Welt an, ein Anziehungspunkt für Spezialisten im In- und Ausland. Nahezu 60.000 Sektionen führte er mit den Brüdern Johann und Joseph Natterer, Präparatoren am Naturalienkabinet, durch.

 

Der Forstentomologe Vincenz Kollar (1797-1860) bearbeitete neben der österreichischen Spinnenfauna auch an Fischen parasitierende Kleinkrebse (Copepoden). Paul Partsch (1791-1856) "erster Geologe Wiens" übernahm die Neuaufstellung der Conchyliensammlung. Karl Moritz Diesing (1800-1867), Nachfolger Bremsers, schuf mit seinem Werk "Systema Helminthum" ein bis heute grundlegendes Werk der Helminthensystematik.

 

Die systematische Erweiterung und Bereicherung der Sammlungen war ein großes Anliegen Schreibers'. Durch Kauf, Tausch oder als Geschenk gelangten zahlreiche Sammlungen und Einzelstücke in das Naturalienkabinett - u.a. 1806 Objekte von der Weltreise James Cook's, die bei der Versteigerung der Sammlung von J. Parkinson in London gekauft wurden, 1816 eine große Lieferung Wirtbelloser vom Museum Paris, drei Jahre später die berühmte Sammlung französischer Land- und Süßwasserconchylien von Draparnaud.

 

Anlässlich der Vermählung von Leopoldina - der Tochter Kaiser Franz' - mit dem Kronprinzen Dom Pedro de Alcantara von Brasilien 1817, wurden österreichische Naturforscher in wissenschaftlicher Mission nach Brasilien gesandt. Einer von ihnen war Johann Natterer, der 18 Jahre in Brasilien blieb, in 10 Reisen, unwegsames, bis dahin unbekannt gebliebenes Gebiet von Rio de Janeiro bis zum Mato Grosso, bis nach British Guyana durchforschte, sammelte und unzählige Objekte nach Wien schickte. Von besonders hohem wissenschaftlichen Wert sind die parasitischen Würmer, von Natterer selbst präpariert.

 

Unzählige Forscher, Sammler, Entdecker und Reisende vermehrten unsere Sammlungen gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nur einige können hier genannt werden: Fillippo Agnello, Ferdinand Bauer, Wenzel Boyer, Carl Giesecke, Franz Xaver Grohmann, Christian Friedrich Ecklon, Cajetan Felder, Carl Alexander Freiherr von Hügel, Emanuel Ritter v. Friedrichsthal, Virgil Helmreichen v. Brunnfeld, Theodor Kotschy, Henrik Nikolaj Kroyer, Alois Freiherr von Lederer, Johann Lhotsky, Johann Christian Mikan, Ludwig Pareyss, Ida Pfeiffer, Eduard Friedrich Poeppig, Johann Emanuel Pohl, Polydore Roux, Karl Ritter, Ludwig Freiherr von Welden.

 

Im Laufe des Jahres 1839 konnte die Aufstellung der zoologischen Sammlungen beendet werden. Am Josefsplatz, am linken Flügel der Hofbibliothek war für Schausäle und Präparationsräume ein Zubau mit vier Geschossen errichtet worden. Die Sammlung der Wirbellosen - seit 1806 genauest akquiriert - war eine der besten unter allen europäischen Museen. Die einzelnen Schaustücke waren mit dem Gattungs-, Art- und Autornamen gekennzeichnet und systematisch geordnet. Die Wirbellosen waren in Articulata und Inarticulata geteilt.

 

Articulata: Crustacea, Arachnidea, Insecta, Annelida und Entozoa. Zu letzteren zählten alle bekannten Eingeweidewürmer, eine künstliche Gruppe.

 

Inarticulata: Mollusca, Cirripedia, Radiata (Echinodermen, Cnidaria, Spongier), Acalephen (Seequallen), Zoophyten.

 

Im Zuge der revolutionären Wirren 1848 geriet durch Beschuß das Dach der Hofbibliothek in Brand. Teile der Sammlungen, das Depot und Schreibers Dienstwohnung wurden vernichtet. Vor allem für die Insekten- und Wirbeltiersammlungen waren die Verluste unermeßlich.

  
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