Seekernbohrung im Hallstättersee

04. Mai 2012

Bohren in die Geschichte Hallstatts

Wissenschaftliche Seekernbohrung vom 7. bis 11. Mai 2012:

Sedimente am Grund des Hallstätter Sees geben Auskunft über die Umweltbedingungen der letzten Jahrtausende

Ein internationales Forscherteam wird vom 7. bis 11. Mai 2011 Seekernbohrungen im Hallstätter See durchführen. Die Forscherinnen und Forscher hoffen auf umfassende Erkenntnisse über prähistorische Klima- und Umweltverhältnisse aus den erbohrten Seesedimenten. Der Hallstätter See ist nicht zufällig gewählt. 400 m oberhalb liegt das älteste Salzbergwerk der Welt. Getragen wird das Projekt durch das Naturhistorische Museum Wien, das Deutsche Geoforschungszentrum Potsdam, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Universität für Bodenkultur Wien und die Freunde des Naturhistorischen Museums Wien.

 

Mensch und Umwelt

Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es, ein genaues Bild der Umweltbedingungen in der Vergangenheit zu gewinnen und die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt über einen langen Zeitraum zu studieren. Dabei interessiert ein Abschnitt besonders, die Spanne zwischen 2000 v. Chr. und der Zeitenwende. In dieser Zeit erfährt das Salzkammergut durch den prähistorischen Salzbergbau in Hallstatt einen echten Wirtschaftsboom. Es ist aber auch die Zeit bedeutender Klimaschwankungen. Wesentlich für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter ist die Frage, welchen Einfluss die daraus folgenden Umweltveränderungen auf die Menschen und ihr Wirtschaftssystem in dieser alpinen Region hatten.

 

Archive unter Wasser

Unter guten Erhaltungsbedingungen liefern Seesedimente wichtige Informationen über Temperaturentwicklung, Niederschlagsmengen, Hochwasserereignisse, aber auch über die Pflanzenwelt rund um den See sowie Bergstürze und Murenabgänge. Seen sind erstklassige Sedimentfallen. Pflanzenreste, Blütenstaub, Insekten und Mikroorganismen, Gesteine und viele andere Materialien werden über Luft und Wasser in Seen eingetragen. Ein Teil davon lagert sich in Schichten Jahr für Jahr am Seegrund ab. So entsteht im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende ein wertvolles Archiv, das detailliert Umwelt- und Klimaverhältnisse speichert, bis hin zu den Eingriffen des Menschen in seine Umwelt. Ähnliches gilt für Moore, auch sie sind wertvolle und schützenswerte Archive.

 

Bohren am Seegrund

Die Bohrungen werden durch die Österreichischen Bundesforste, in deren Besitz sich der See befindet, und die Gemeinde Hallstatt unterstützt. Die geplanten Bohrstellen liegen in der Mitte des Sees in einer Wassertiefe von rund 100 m. Daher kommt eine schwimmende Bohrplattform zum Einsatz. Die Plattform und das Bohrsystem wurden von der oberösterreichischen Firma UWITEC entwickelt und umgesetzt. Ein Plexiglasrohr von 9 cm Durchmesser wird mit Hilfe von Gewichten in den Seeboden gedrückt, nach Erreichen der gewünschten Tiefe wird das Rohr mit den Bodenproben über eine Seilwinde wieder an die Oberfläche gezogen. Die Sedimentproben müssen nun bis zum Einlangen im Labor kühl gelagert werden. Erst dort werden die Rohre geöffnet und die Sedimentproben verschiedensten Analyseverfahren unterzogen. So wird etwa die Größe der im Seesediment enthaltenen Gesteins- und Mineralkörner ausgewertet. Die Verteilung der Korngrößen gibt wichtige Aufschlüsse über Transportprozesse, d.h. wie sind diese Materialien in den See gelangt, über die Luft, mit einem Fluss, durch einen Bergsturz oder eine Mure. Geochemische Untersuchungen liefern Informationen über die geographische Herkunft der Gesteine, aber auch über Nähr- und Sauerstoffgehalt des Seewassers. In den Sedimenten erhaltene Pflanzenreste, wie etwa Pollen, geben Auskunft über die Zusammensetzung der Vegetation rund um den See, aus der wiederum die Entwicklung der Lufttemperatur errechnet wird.

 

Vielfältige Forschung

Die Seekernbohrungen sind ein wichtiger Teil der Erforschung der jahrtausendealten Wirtschaftslandschaft rund um die Hallstätter Salzbergwerke. 400 m über dem See liegt eine der wichtigsten archäologischen Fundlandschaften Europas. Bereits vor über 3500 Jahren bauten Bergleute am Hallstätter Salzberg Steinsalz in nahezu industriellem Ausmaß ab. In riesigen Hallen wurde Salz gebrochen und weithin verhandelt. Seit über 50 Jahren forscht das Naturhistorische Museum Wien mit der Unterstützung der Salinen Austria AG an diesem einzigartigen Platz. Denn der archäologischen Wissenschaft eröffnen sich hier ganz besondere Möglichkeiten. Von der Lebenswelt vergangener Epochen bleiben der Archäologie im Normalfall Objekte aus unvergänglichen Materialien wie Stein, Keramik, Knochen und Geweih. Organisches verrottet in wenigen Jahren. Vollkommen anders im Hallstätter Salzberg, dank der konservierenden Wirkung des Salzes hat sich hier all das perfekt erhalten, was die Bergleute vor Jahrtausenden zurückließen: Werkzeug, Speisereste, menschliche Exkremente, Kleidung, abertausend niedergebrannte Leuchtspäne. Nur mit einer Vielzahl an wissenschaftlichen Disziplinen ist die wissenschaftliche Auswertung möglich. Anthropologie, Archäologie, Botanik, Holzforschung, Geowissenschaften und viele andere Disziplinen ziehen hier gemeinsam an einem Strang. Die Salzwelten Hallstatt bieten in Kooperation mit dem NHM Wien verschiedenen Programme und regelmäßige Sonderführungen rund um das spannende Thema Archäologie an. Infos und Termine zu den „Hallstatt7000“-Programmen auf www.salzwelten.at.

 

Doch nicht allein die Bergwerke, sondern auch die umgebende Landschaft stehen im Fokus der Forschung. Die Geschichte dieser Landschaft soll systematisch erforscht, dokumentiert und bewahrt werden. So untersucht aktuell das Hall-Impact-Projekt die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt und den Wandel dieser Beziehungen. Das Projekt wird von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziert.

Bohrplattform

credit: Achim Brauer GFZ

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