Suche nach den Auswirkungen des Chicxulub-Meteoriteneinschlags auf das Leben auf der Erde

11. Oktober 2016
Internationale Expedition zum Chicxulub-Einschlagkrater unter Beteiligung des Naturhistorischen Museums Wien
Ein internationales Wissenschafterteam hat im April und Mai dieses Jahres eine Tiefbohrung im Chicxulub-Einschlagskrater – dem „Dino-Killer“ – durchgeführt. Dabei wurden Bohrkerne mit einer Gesamtlänge von über 830 Metern gewonnen, die jetzt am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM) untersucht werden. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es Spuren mikrobiellen Lebens nach dem Einschlag gibt. Anhand der Bohrkerne können die Wissenschafterinnen und Wissenschafter außerdem nachvollziehen, wie der so genannte „Peak Ring“ (der innere Ring von mehreren) des Kraters entstanden ist.

„Die IODP-ICDP-Bohrung im Chicxulub-Krater ist ausgesprochen erfolgreich verlaufen. Durch die geschickte Wahl der Bohrlokalität ist es gelungen, Gesteine die sich normalerweise in fast unerreichbarer Tiefe befinden, zu erreichen. Die Untersuchungen erlauben uns zum ersten Mal Aufschlüsse über die dynamischen Prozesse bei der Entstehung derart großer Einschlagskrater,“ so NHM Wien-Generaldirektor Prof. Christian Köberl (A), der einer der Hauptantragsteller des ICDP-Projektes ist und Mitantragsteller des IODP-Projektes, also jener Anträge, die die Bohrung ermöglicht haben.

Der Chicxulub-Einschlagkrater ist der einzige bekannte Krater auf der Erde, der direkt mit einem Massensterben in Verbindung gebracht wird. Die durch den Einschlag entstandenen Ablagerungen lassen sich auf der ganzen Welt nachweisen. Zudem gilt der Krater mit einem Durchmesser von 200 Kilometern, der vor 66 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstand, als relativ gut erhalten – obwohl (oder gerade weil) er unter mehrere hundert Metern von Sediment und Gestein vor der Küste Mexikos begraben liegt.

Bis zum Einschlag haben Dinosaurier und marine Reptilien die Erde bevölkert. Eine Serie von katastrophalen Ereignissen, die auf den Einschlag folgten, hat zwar das Aussterben von allen größeren Tieren verursacht, letztendlich aber auch dazu beigetragen, dass sich Säugetiere und schließlich auch die Menschheit entwickeln konnten. Bei der internationalen Forschungsbohrung wurde eine nahezu komplette Abfolge von Gesteinsbohrkernen zwischen 506 und 1335 Metern Tiefe unter dem heutigen Meeresboden gewonnen. Das internationale Team untersucht die Bohrkerne im Detail, um besser zu verstehen, wie sich ein Einschlag auf die Erde und das Leben ausgewirkt hat.

Etwa 120 Meter der Gesteinsabfolge bestehen aus Kalksteinablagerungen, die zwischen 66 Millionen und rund 50 Millionen Jahren entstanden sind. Darunter finden sich weitere 120 Meter aus zerbrochenen und geschmolzenen Gesteinen die beim Impakt entstanden sind und die einen Gebirgsring bedecken – den so genannten „Peak Ring“, der das Zentrum des Kraters umgibt. Laut Prof. Joanna Morgan (Großbritannien) und Prof. Sean Gulick (USA), die wissenschaftlichen Leiter der IODP-Expedition, gibt es Anzeichen dafür, dass nach dem ein hydrothermales System entstanden ist, wobei heißes und salzreiches Wasser durch die zerbrochenen und aufgeschmolzenen Gesteine, die den „Peak Ring“ bedeckten, zirkuliert ist.
Der Einschlag führte dazu, dass drei Viertel aller damals lebenden Tier- und Pflanzenarten ausgestorben sind. Das Team hat auch herausgefunden, dass sich mikrobielles Leben im Krater entwickeln konnte – vermutlich die Chemie und poröse Beschaffenheit des zerbrochenen und geschmolzenen Gesteins nutzend. Die insgesamt 31 Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben außerdem festgestellt, dass die Ablagerungen, die den Krater bedecken, jene kritischen Zeitintervalle enthalten, als sich das Leben im Meer nach dem Einschlag erholt hat – trotz der toxischen Umstände, die nach dem Einschlag für eine gewisse Zeit nach dem Aufprall geherrscht haben.

Nach der Offshore-Phase im Frühjahr wurden mit einem medizinischen Computertomographen in Houston (USA) CT-Scans der noch ungeöffneten Bohrkerne angefertigt. Im MARUM werden die Kerne jetzt der Länge nach in zwei Hälften gesägt – jeweils eine Arbeits- und eine Archivhälfte. Aus der Arbeitshälfte werden nach gründlicher Beschreibung ausgewählte Proben genommen, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach IODP-Standards an der Universität Bremen untersuchen und in den kommenden Monaten und Jahren in ihren Heimatlaboren noch weiter analysieren werden. An den Archivhälften werden zerstörungsfreie Messungen durchgeführt, ansonsten bleiben diese für künftige Studien intakt.

„Ich bin sehr stolz, Österreich in diesem internationalen Projekt repräsentieren zu können“, meint NHM-Wissenschafter Dr. Ludovic Ferriére, der als einziger österreichischer Forscher Mitglied des Science-Teams in Bremen ist. „Basierend auf den vorläufigen Untersuchungen, die hier in den letzten Wochen fertiggestellt wurden, freue ich mich sehr, jetzt wieder ans NHM Wien zurück zu kommen, um die bevorstehende harte Arbeit an den ca. 350 Proben zu beginnen, die ich ausgewählt habe. Halten Sie sich bereit für die Entdeckungen, die bald erfolgen..."

Organisiert, finanziert und realisiert wird die Chicxulub-Expedition vom Europäischen Konsortium für wissenschaftliches Ozeanbohren (ECORD). Sie ist ein Beitrag zum International Ocean Discovery Program (IODP), in dem europäische Staaten neben anderen mit Japan und den USA zusammen arbeiten. Diese Expedition wird auch vom International Continental Scientific Drilling Program (ICDP) unterstützt. Die Expedition wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von mexikanischer Seite – sowohl seitens offizieller Stellen als auch von Wissenschafterinnen und Wissenschaflern verschiedener Institutionen.

Mehr Informationen (in Englisch):
Über die Expedition – http://www.eso.ecord.org/expeditions/364/364.php
Über das Forschungsprogramm – www.iodp.org
Über den europäischen Part des Programms – www.ecord.org

Presse-Kontakt MARUM:
ECORD Science Operator
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften
Universität Bremen
Ulrike Prange
E-mail: medien@marum.de
Telefon: +49 421 218-65540
NHM-Forscher Ludovic Ferriere
NHM-Forscher Ludovic Ferriere
Künstlerische Darstellung des Chicxulub-Impaktes
 © D. Jalufka & NHM Wien
  
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