Tiefseeforschung: Mobile Flohkrebse in 3000 Metern unter dem Meeresspiegel NHM Wien an Entdeckung einer weltweiten Verbreitung einer Flohkrebsart beteiligt

13. Oktober 2023
Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Naturhistorischen Museums Wien hat erstmalig die räuberische Flohkrebsart Rhachotropis abyssalis in drei verschiedenen Ozeanen entdeckt, die bis zu 20.000 Kilometer voneinander entfernt sind. Die Tiere leben jeweils in mehr als drei Kilometern Tiefe. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht.
Das Abyssal, der Tiefseeboden unterhalb von 3.000 Metern Tiefe, ist der größte und gleichzeitig am wenigsten erforschte Lebensraum der Erde. Eine besondere Herausforderung für Forschende besteht darin, aus diesen Tiefen wirbellose Tiere zu gewinnen.

Flohkrebse gehören zu den Schlüsselakteuren am Boden der Tiefsee, wo sie in großer Anzahl und Artenzahl vorkommen. Flohkrebse sind ein essentieller Teil des Nahrungsnetzes. Die Weibchen betreiben Brutpflege und tragen ihre Eier und Jungtiere in einem Brutbeutel. Im Gegensatz zu vielen anderen wirbellosen Meeresbewohnern haben sie also keine freischwimmenden Larven, die sich über
weite Distanzen im Meer ausbreiten können.

Forschende der Universität Hamburg, des Naturhistorischen Museums Wien sowie der Universität Lodz haben nun jeweils in einer Tiefe von mehreren Kilometern die Flohkrebsart Rhachotropis abyssalis im Rossmeer, im Pazifik und im Nordatlantik gefunden.

„Besonders bemerkenswert ist, dass diese Regionen bis zu 20.000 Kilometer voneinander entfernt sind“, erklärt Dr. Anne-Nina Lörz, die am Fachbereich Biologie im Institut für marine Ökosystem- und Fischereiwissenschaften sowie am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg forscht. „Die Tiere aus den drei Regionen waren sich sowohl in ihrer äußeren Erscheinung wie auch genetisch extrem ähnlich.“

Für die Tiefsee ist dies der erste Nachweis eines wirbellosen Räubers ohne larvale Verbreitung, der eine solch umfassende geografische Verbreitung aufweist, die noch dazu durch genetische Untersuchungen bestätigt werden konnten.

„Die Art wurde an drei sehr weit entfernten Enden der Welt gefunden. Wir gehen davon aus, dass sie auch in den Gebieten dazwischen vorkommt und dort bisher schlicht übersehen wurde“, sagt Dr. Martin Schwentner vom Naturhistorischen Museum Wien und Mitautor der Studie.

Rhachotropis abyssalis wurde im Jahr 2010 erstmalig von Dr. Anne-Nina Lörz aus dem antarktischen Rossmeer geborgen und beschrieben. Die neuen Nachweise wurden nun unter anderem durch Expeditionen auf dem Forschungsschiff SONNE in den Kurilen-Kamtschatka Graben und die Labradorsee ermöglicht.

„Vielleicht stellt diese ausgedehnte Verbreitung eine seltene Ausnahme für brütende Räuber dar – möglicherweise sind diese Ergebnisse aber auch überhaupt keine Ausnahme, sondern ein Spiegelbild der seltenen Probenahme und seltenen taxonomischen Untersuchung wirbelloser Tiere in der Tiefsee“, sagt Lörz. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass wir noch mehr über die Biodiversität und Biographie in der Tiefsee erfahren müssen, um auch diese Ökosysteme zu verstehen und somit schützen zu können.“

Originalpublikation:
Anne-Nina Lörz, Martin Schwentner, Simon Bober, Anna Jażdżewska (2023) Multi-ocean distribution of a brooding predator in the abyssal benthos, Scientific Reports 13, 15867 (2023).
https://doi.org/10.1038/s41598-023-42942-0

Wissenschaftliche Rückfragen:
Dr. Martin Schwentner
Naturhistorisches Museum Wien
3. Zoologische Abteilung des NHM Wien
Kurator der Sammlung Crustacea
https://www.nhm-wien.ac.at/martin_schwentner
Tel. +43 (1) 52177 - 330
martin.schwentner@nhm-wien.ac.at

Allgemeiner Rückfragehinweis:
Mag. Irina Kubadinow
Naturhistorisches Museum Wien
Leitung Presseabteilung, Pressesprecherin
https://www.nhm-wien.ac.at/irina_kubadinow
Tel.: + 43 (1) 521 77 – 410
Irina.kubadinow@nhm-wien.ac.at

Fotos von Rhachotropis abyssalis im Vergleich: von mehr als 3 km Tiefe aus dem Rossmeer und dem Nordatlantik lebend an Bord aufgenommen
© David Bowden / NIWA und Nicole Gatzemeier /DZMB
  
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