Was verraten Skelettfunde aus der Vergangenheit über das gesunde Altern der Knochen?

11. September 2025
Ein Forschungsteam um Vladimír Sládek, von der Karls-Universität Prag, den USA und unter Beteiligung des Naturhistorischen Museums in Wien (NHM) hinterfragt die Prozesse der gesunden Knochenalterung aus einem Zeitraum von 9000 Jahren. Die Abnahme der Knochenwandstärke von Langknochen wurde bei im Westen lebenden Menschen mit der großteils sitzenden Lebensweise in Verbindung gebracht. Im Gegensatz zu diesen Annahmen kam das Team nun zu dem Ergebnis, dass der altersbedingte Knochenverlust an der Innenseite des Knochenschafts nicht durch die Bildung von neuem Knochengewebe an der Außenseite kompensiert wird. Diese Beobachtung zeigte sich trotz unterschiedlicher Lebensweisen und Tätigkeiten der Menschen über diesen langen Zeitraum hinweg als konstant.
Umfangreicher Datensatz aus europäischen Sammlungen
Die Studie basiert auf einem umfangreichen Datensatz von fast 2.000 Skeletten aus dem jungstein- bis neuzeitlichen Europa. Untersucht wurden erwachsene Individuen mit unterschiedlichen Lebensweisen und körperlichen Aktivitäten. Ein Teil der Skelette stammt aus der Sammlung der Anthropologischen Abteilung des NHM Wien. Dieser Datensatz ist eine solide Grundlage für neue Erkenntnisse zur Knochen-Veränderungen im Alter im Rahmen der Evolutionsmedizin führt Vladimir Sladek, Erstautor der Studie, aus. Die Ergebnisse wurden nunmehr in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.
Alterungsprozess je nach Knochen und Geschlecht unterschiedlich
Ein Hauptergebnis ist, dass der Alterungsprozess je nach Knochen und Geschlecht unterschiedlich verläuft. Demnach sind die Knochenschäfte bei Frauen stärker von altersbedingten Veränderungen betroffen, und diese sind im Oberarmknochen stärker ausgeprägt als bei den Oberschenkel- und Schienbeinknochen. Diese Unterschiede legen nahe, dass Faktoren wie das biologische Geschlecht, die Biomechanik und funktionelle Nutzungen die Knochenalterung beeinflussen. Die beobachteten Unterschiede zwischen den Knochen des Oberarms und denen des Oberschenkels über die Zeiten stützen außerdem die Empfehlung, Oberarmtraining besonders im Erwachsenenalter auszuüben, um hier speziell eine gesunde Knochenalterung zu fördern.
Altersbedingte Veränderungen der Langknochen blieben über 9000 Jahre gleich
Es zeigte sich, dass die altersbedingten Veränderungen, also eine Abnahme der Knochenstärke in den Langknochen trotz unterschiedlicher Lebensweisen und körperlicher Aktivität von der Jungsteinzeit bis zur Neuzeit konstant blieben. Dies deutet darauf hin, dass die Prozesse des Knochenwachstums und der Alterung komplexer sein könnten als bisher angenommen, erklärt Margit Berner, Kuratorin im NHM und Seniorautorin der Studie.
Die Studie zeigte zudem, dass der wichtigste Faktor für die Gesundheit und den Erhalt der Stärke der Langknochenschäfte im Erwachsenenalter die Robustizität der knöchernen Strukturen am Ende des Wachstums ist
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass der Umbau der Langknochen bei Erwachsenen den altersbedingten Gewebeverlust nicht ausgleicht. Umso mehr ist Training von Kindheit an wesentlich, um die Knochengesundheit lange zu erhalten. Sládek und sein Team betonen, wie wichtig es ist, die Knochenwachstumsmuster während der Kindheit und Jugend sowie deren Auswirkungen auf die Skelettgesundheit sowohl in früheren Populationen als auch beim modernen Menschen weiter zu erforschen.


Vladimír Sládek et al:  Bone health: Age-related changes in diaphyseal structural properties among European Holocene humans during the last 9,000 years
https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.adx7981

Wissenschaftlicher Rückfragehinweis:

Dr. Margit Berner, Kuratorin der Anthropologischen Abteilung

https://orcid.org/0000-0001-8922-7268
margit.berner@nhm.at
Tel.:  +43 (1) 52177 – 241
 
 

Oberarm-, Oberschenkel- und Schienbeinknochen eines neolithischen Skeletts aus der Anthropologischen Sammlung der NHM
© NHM Wien
Schematische Darstellung der untersuchten Knochen
Grafik: © K. Repp, NHM Wien
  
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