Die K.K. mineralogisch-petrographische Abteilung des naturhistorischen Hofmuseums

Im Laufe der Jahrzehnte haben alle Wiener Sammlungen eine stete Vermehrung ihrer Bestände erfahren, so dass die Raumnot immer spürbarer wurde. Überlegungen zur Verlagerung einzelner Sammlungen werden diskutiert; aber erst das kaiserliche Handschreiben vom 20. Dezember 1857 gibt Hoffnung, dass sich zugleich mit der darin angekündigten Erweiterung der Stadt auch die Raumnot aller kaiserlicher Sammlungen spürbar mildern wird. Es kündigt sich aber damit auch eine neue Ära dieser Sammlungen an.
 

Das Interesse an naturwissenschaftlicher Information ist groß und die Förderung dieses Interesses scheint auch ein Anliegen des jungen Regenten zu sein: "DEM REICHE DER NATUR UND SEINER ERFORSCHUNG - KAISER FRANZ JOSEPH I - MDCCCLXXXL" wird später an der Stirnfront des neuerbauten k.k. Naturhistorischen Hofmuseums zu lesen sein, solcherart die wohlwollende Wertschätzung des allerhöchsten Kaiserhauses dokumentierend. Mit den Erdaushubarbeiten für dieses neue Museum der Natur wird im Herbst 1871 begonnen; 10 Jahre später ist der Bau vollendet.

 

Am 29. April 1876 unterschreibt Kaiser Franz Joseph I. jene Urkunde, durch die das k.k. Naturhistorische Hofmuseum im rechtlichen Sinne begründet wird. Zum ersten Intendanten des Museums wird Ferdinand von Hochstetter ernannt. Hochstetter schlägt eine Neuorganisation des Museums und seiner Sammlungen vor. Fünf weitgehend autonome wissenschaftliche Abteilungen sollen Nachfolger der älteren Kabinette sein; das k.k. Mineralogische Hof-Cabinet wird in eine k.k. Mineralogisch-Petrographische Abteilung und in eine k.k. Geologisch-Paläontologische Abteilung aufgeteilt. Der Gesteinskundler und Meteoritenfachmann Aristides Brezina übernimmt 1877 die Leitung der ersteren, wird aber zunächst nicht Direktor der Abteilung. Die Verwaltung wird kommissarisch vom Intendanten des k.k. Naturhistorischen Hofmuseums, Ferdinand von Hochstetter, wahrgenommen. Brezina wird in der Abteilungsarbeit von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Friedrich Berwerth und den zwei freien Mitarbeitern Rudolf Koechlin und Felix Karrer unterstützt (diese leisten freiwillige, nicht entlohnte Dienste!). Felix Karrer ist Sekretär des Wissenschaftlichen Clubs und ist Begründer der Baugesteinssammlung der Abteilung. Koechlin ist 1886 bereits wissenschaftlicher Hilfsarbeiter und führt später das Sammlungsinventar und auch ein Tagebuch.

 

Hochstetter stirbt am 18. Juli 1884 und erlebt somit die Fertigstellung des Hauses, an dessen Gründung er tatkräftig mitgewirkt hatte, nicht mehr. Sein Nachfolger in der Intendanz ist der Geologe und Paläontologe Franz Ritter von Hauer.

 

Am 10. August 1889 wird das neue k.k. Naturhistorische Hofmuseum in Wien in Anwesenheit des Kaisers seiner Bestimmung übergeben. Es ist zunächst vier Tage in der Woche für Besucher zugänglich - Donnerstag, Samstag und Sonntag mit freiem Eintritt, am Dienstag gegen eine Eintrittsgebühr von 1 fl. ö. W. (1 Gulden österreichischer Währung); an Werktagen von 10 bis 15 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen von 9 bis 13 Uhr offenstehend. Das Haus und seine Sammlungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Vom 13. August bis Ende Dezember 1889 zählt das Museum 175.000 Besucher, davon allein 134.000 an den 19 Sonntagen dieses Zeitraumes!

 

Die Mineralogisch-Petrographische Abteilung steht in diesem bedeutungsvollem Jahr unter der Leitung von Aristides Brezina. 1889 wird die berühmte Sammlung von William Earl Hidden aus Newark (USA) mit Hilfe eines Vorschusses aus dem "Allerhöchsten Familienfonde" des österreichischen Kaiserhauses in der Höhe von 15.000 Gulden angekauft. Die Rückzahlung dieses Darlehens muss auf "allerhöchste Anweisung" durch komplizierte abteilungsinterne Transaktionen innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren sichergestellt werden (Verkauf von Mineraliendubletten, Meteoritenabschnitten und Edelmetall-Einlösungen). "Eingelöst" wurden damals leider auch u.a. Proben von Silber und Gold aus der ehemaligen "Ambraser Sammlung" Erzherzogs Ferdinand II., ein nicht wieder gutzumachender Schaden und großer Verlust für die Sammlung! Trotzdem ist der Erwerb der "Sammlung Hidden" von besonderer Bedeutung für das Wiener Museum. Immerhin galt die Sammlung in dieser Zeit nach der berühmten Clarence S. Bement-Collection, die später an das American Museum of Natural History in New York gelangte, als die zweitbeste private Mineraliensammlung in den Vereinigten Staaten!

Im gleichen Jahr kommen auch einige Objekte aus der ehemaligen Privatsammlung des Kronprinzen Rudolf, der durch Freitod aus dem Leben schied, offenbar gegen seinen Willen an die Abteilung. Der Erzherzog hatte seine naturhistorischen Sammlungen testamentarisch Wiener Unterrichtsanstalten vermacht. Entsprechend dieser Verfügung gelangten seine geologische und paläontologische Sammlung sowie seine Mineraliensammlung an die k.k. Hochschule für Bodencultur. Die dem k.k. Gymnasium zu den Schotten zugedachten Glasimitationen von Edelsteinen und einige andere mineralogische Objekte wurden von dort aber dem k.k. Naturhistorischen Hofmuseum überantwortet.

 

Koechlin wird 1892 Assistent und 1896 wird er zum Custos-Adjuncten befördert. Im gleichen Jahr übernimmt Friedrich Berwerth die Leitung der Abteilung von dem mit 30. August pensionierten Aristides Brezina. Als Volontäre arbeiten im Zeitraum von 1896 bis zum Ende der Monarchie neben Felix Karrer abwechselnd Anton Pelikan, Hermann Graber, Friedrich Wachter und Karl Hlawatsch.

 

Noch einmal gelingt es vor dem Zusammenbruch der Monarchie eine großartige Mineraliensammlung für das Wiener Museum anzukaufen. Es ist die Sammlung des Staatsrathes Freiherrn von Braun, die 1906/1907 in den Bestand der Abteilung übernommen wird (insgesamt mehr als 2.500 Stück, Dubletten nicht miteingerechnet). Bei weitem nicht so bedeutende Sammlungen von Ritter August von Loehr und von Rudolf von Görgey folgen; sie werden allerdings aufgrund der Kriegsereignisse und der nachfolgenden schlechten Zeiten zum Teil erst nach dem 2. Weltkrieg ins Inventar aufgenommen (ebenso die 1932 erworbene Sammlung Friedrich Freiherr von Distler).

Als Mäzen tritt um die Jahrhundertwende Kommerzialrat Isidor Weinberger hervor. Er war ein großer Förderer der Mineralogie und die Sammlung des Hofmuseums in Wien verdankt ihm so manches ausgesucht schöne Stück. So spendete er 1904 etwa auch jene große, etwa 450 Kilogramm schwere Amethyst-Stufe von der Serra do Mar in Brasilien, die heute als besonderes Objekt vor einer Seitentür im Saal 3 des Museums zu bewundern ist. Besonders wertvoll für das Museum sind heute aber auch über 500 Meteoriten-Dünnschliffe aus dem Besitz des Kustos und ehemaligen Direktors der Abteilung, Aristides Brezina, die Weinberger erwerben konnte und dem Museum später geschenkweise überlassen hat.

 

Literatur

Rudolf Koechlin (1862-1939)
Rudolf Koechlin (1862-1939)
Bausammlung
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